Geschichte

Ob barocke Stadtansichten, prachtvolle Bauten der Renaissance oder architektonische Ensembles wie die Wiener Ringstraße: Die Architektursammlung der ALBERTINA bietet mit über 50.000 Plänen, Studien und Modellen einen faszinierenden Überblick über das Genre der Architekturzeichnung. Von der Spätgotik bis hin zur Architektur der Gegenwart sind bedeutende Arbeiten von Bernini, Borromini, Hansen, Wagner, Loos, Hollein, Hadid u.v.m. vertreten.

Francesco Borromini und der Atlas Stosch
Francesco Borromini | Rom, Studie zur Fassade des Oratorio dei Filippini, 1660 | Albertina, Wien
Francesco Borromini | Rom, Studie zur Fassade des Oratorio dei Filippini, 1660 | Albertina, Wien

Die "Gründerfigur" der Architektursammlung ist Philipp Freiherr von Stosch (1691-1757), dem die ALBERTINA einen bedeutenden Bestand von rund 2.000 italienischen Architekturblättern des 16., 17. und frühen 18. Jahrhunderts verdanken. Baron Stosch war einer der angesehensten Antikenkenner Roms, zugleich belesener Polyhistor und kauflustiger Amateur sowie Zwischenhändler von skulpturalen Fundstücken, Medaillen,

Gemmen, Kupferstichen und Zeichnungen. Ein wahrhafter "Glückstreffer" war die Erwerbung des Nachlasses Francesco Borrominis, des Hauptmeisters der römischen Seicentoarchitektur. Baron Stosch legte darüber hinaus einen Bildatlas an, der in einer Art Generalaufnahme Frontalansichten der Fassaden aller namhaften römischen Bauwerke vereinigte.

Nach seinem Tod gelangte die gesamte Sammlung Stosch 1769 in Hamburg zur Versteigerung, wobei die 324 Klebebände des Atlas Stosch dank der Initiative des Bibliothekspräfekten Gerhard van Swieten an die k. k. Hofbibliothek in Wien gingen. Die Klebebände blieben bis 1841 in ihrer ursprünglichen Form erhalten, wurden dann aber aufgelöst und der Vue-Sammlung des Kupferstichkabinetts eingegliedert.

Als man 1905 eine eigene geografische Abteilung einrichtete, wurde der Bestand endgültig zerrissen. In die Kartensammlung gelangten über 3.800 Landkarten und Stadtansichten.

Der Kunsthistoriker Hermann Egger begann zu dieser Zeit, die architektonischen Handzeichnungen zu ordnen und wissenschaftlich zu bearbeiten. Nach Schaffung der Grafischen Sammlung ALBERTINA 1919 wurden die Bestände nochmals mit Blättern anderer Provenienzen vermengt.

Architekturzeichnungen des Hofbauamtes
Paul Wilhelm Eduard Sprenger | Entwurf für eine Exerzier- und Industrie-Ausstellungshalle in Wien, perspektivische Innenansicht, 1853 | Albertina, Wien
Paul Wilhelm Eduard Sprenger | Entwurf für eine Exerzier- und Industrie-Ausstellungshalle in Wien, perspektivische Innenansicht, 1853 | Albertina, Wien

Neben dem homogenen Bestand des Atlas Stosch weist die Architekturabteilung der ALBERTINA als zweiten großen Schwerpunkt Zeichnungen hofbauamtlicher Provenienz auf.

Dieser Sammlungsteil umfasst mehr als 4.000 Zeichnungen, die im Zeichenbüro der höfischen, später staatlichen Baubehörden der Monarchie entstanden sind. Die Blätter selbst waren bis 1918 in diversen k. k. Archiven untergebracht. Danach wurden sie großteils der ALBERTINA übergeben. Durch diese Vereinigung der gesamten Produktion der im Wiener Hofbauamt beheimateten Zeichnungsbüros sollte das habsburgische Bauwesen zwischen 1700 und 1918 umfassend dokumentiert werden. Die topografische Spannweite der Hofbauamtszeichnungen reicht von Wien über die österreichischen Bundesländer weiter in die ehemaligen habsburgischen Kronländer und über die Bauten Kaiser Maximilians von Mexiko sogar bis ins ferne Mittelamerika. Weitere europäische Länder, darunter Belgien, Deutschland und Frankreich sowie Lettland und Russland, sind durch Blätter aus anderen kaiserlichen Sammlungsbeständen vertreten.

Architektennachlässe des 20. Jahrhunderts
Oskar Laske | Entwurf für ein Familien-Wohnhaus, Ansicht der Straßenfassade, Fassadenschnitt, ca. 1895 | Albertina, Wien
Oskar Laske | Entwurf für ein Familien-Wohnhaus, Ansicht der Straßenfassade, Fassadenschnitt, ca. 1895 | Albertina, Wien

Die Nachlässe österreichischer Architekten des 20. Jahrhunderts gelangten in der Regel durch Initiative der Erben des jeweiligen Architekten und/oder der Mitarbeiter_innen der ALBERTINA in die Architektursammlung. Die auf diese Art und Weise in den vergangenen Jahrzehnten zustande gekommenen Bestände sind aber genau genommen nicht nur künstlerische Nachlässe von Architekt_innen, sondern oft Sammlungen von Plänen, Skizzen, Fotos, Skizzenbüchern und Briefen, die erst nach dem Tod ihrer Schöpfer zusammengetragen wurden, weshalb sie von der ALBERTINA gerne als "Archiv" bezeichnet werden.

In der Architektursammlung werden Archive von Absolventen der beiden bedeutenden traditionellen Wiener Architekturschulen, Akademie der bildenden Künste und Technische Universität, aufbewahrt. Josef Frank, Clemens Holzmeister, Heinrich Kulka und Helmut Wagner-Freynsheim erhielten ihre Ausbildung bei Carl König an der Technischen Universität (damals Technische Hochschule), Leopold Bauer, Hubert Gessner und Hans Kestranek hingegen studierten bei Königs Antipoden Otto Wagner an der Akademie. Ergänzend dazu wurde das aus verschiedenen Quellen stammende Plan- und Zeichnungsmaterial von Carl von Hasenauer, Vorgänger von Otto Wagner an der Akademie, zu einem Archiv zusammengefasst.

Mit den Beständen von Lois Welzenbacher, der an der Technischen Hochschule in München studierte, und Adolf Loos, der in Dresden und Amerika ausgebildet wurde, sind weitere Architekturschulen vertreten.

Die Architektursammlung der ALBERTINA ist aufgrund dieser Architektenarchive in der Lage, die gesamte Bandbreite der Baukunst des 20. Jahrhunderts, von traditionellen Bauten (z. B. durch Leopold Bauer) bis hin zum radikalen Funktionalismus (z. B. durch Helmut Wagner-Freynsheim), darzustellen.

Weitere Bestände von Architekturzeichnungen aus dieser Epoche sind u. a. der Nachlass des in den 50er und 60er Jahren für afghanische Regierungsbauten tätigen Peter Behrens-Schülers Adolf Kautzki, der Nachlass des Friedrich Ohmann-Schülers Ernst Kirsch und einige Blätter von Friedrich Ohmann.

Bislang konnten vier große Archive online gestellt werden, mit denen die Einsicht in einen repräsentativen Querschnitt dieses Teiles der Architektursammlung möglich ist:
Das Carl Hasenauer-Archiv bildet den größten und wichtigsten Teil des Gesamtnachlasses dieses bedeutenden Ringstraßen-Architekten, der gemeinsam mit Gottfried Semper u. a. das Natur- und das Kunsthistorische Museum und das Wiener Burgtheater plante und ausführte. Der Nachlassteil setzt sich aus Plänen der Architektursammlung und dem eigentlichen Carl Hasenauer-Archiv zusammen, das aus Altbeständen des Hauses besteht sowie aus aufschlussreichen Neuzugängen, die am Dachboden des Wiener Burgtheaters gelagert waren.

Das Clemens Holzmeister-Archiv stellt einen künstlerischen Teilnachlass des Architekten dar. Das in einem langen Leben entstandene umfangreiche Schaffen Holzmeisters ist in seinem topographisch-alphabetisch geordneten Archiv in der ALBERTINA mit rund 5.000 Objekten von zumeist großformatigen Skizzen und Zeichnungen (überwiegend Kohle, Kreide oder Bleistift auf Transparentpapier) ausführlich dokumentiert.

Nach dem Tod Josef Franks 1967 in Stockholm wurde sein zeichnerischer und schriftlicher Nachlass auf mehrere Sammlungen aufgeteilt. Ein Großteil der späten Entwürfe kam über Vermittlung von Architekt Hermann Czech Anfang der siebziger Jahre durch Dagmar Grill, mit der Frank sein letztes Lebensjahrzehnt zusammen in Stockholm verbracht hatte, in die ALBERTINA. Einen besonders attraktiven Teil des Archivs stellen die großen, auf Kartons kaschierten Aquarelle des Architekten dar.

Im Jahr 1961 schenkte die Witwe des Architekten, Grete Welzenbacher, der ALBERTINA Zeichnungen und Skizzen ihres 1955 verstorbenen Mannes. Damals hatte sich auch die Technische Universität München für den Nachlass interessiert, doch da die Witwe den zeichnerischen Aspekt der Blätter betont wissen wollte, entschied sie sich schließlich für die ALBERTINA als dauerhaften Aufbewahrungsort.

Architekturmodelle aus der Technischen Universität Wien
Adolf Loos | Haus Josephine Baker, Paris XVI, Avenue Bugeaud, Frankreich, Originalmodell, 1927 | © Erben nach Ludwig Münz (Foto: Albertina, Wien)
Adolf Loos | Haus Josephine Baker, Paris XVI, Avenue Bugeaud, Frankreich, Originalmodell, 1927 | © Erben nach Ludwig Münz (Foto: Albertina, Wien)

1995 wurden durch eine großzügige Geste der Technischen Universität Wien nahezu 100 zumeist kleinere Modelle zur modernen internationalen Architektur der ALBERTINA überlassen. Sie waren unter der Leitung von Prof. Hans Puchhammer in der Abteilung für Hochbau und Entwerfen des Institutes für Hochbau entstanden. Dazu zählen Modelle von Bauten von Otto Wagner, Adolf Loos, Le Corbusier, Mies van der Rohe und Alvar Aalto.
2002 überließ die Technische Universität Wien der ALBERTINA weitere elf detailgetreue Holzmodelle zum öffentlichen Bau von Adolf Loos, die unter der Leitung von Prof. Anton Schweighofer entstanden waren.

ALBERTINA & ALBERTINA MODERN
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