Hundertwasser / Lafontaine / Okun
Until 5 January 2025
Blickpunkt Marie Jo Lafontaine
Tears of Steel
27 monitors in a pyramidal arrangement form the projection surface for this filmic enactment of a cult of the body. In close-up shots, the camera’s lens glides across handsome, athletic male bodies. Central to this installation is the idealization of the trained and training body that, as a muscle-machine, makes a hard and aggressive impression.
It was at a New York fitness studio during the mid-1980s that the Belgian artist Marie-Jo Lafontaine became acquainted with “power training,” a form of high-intensity muscular training that takes its practitioners to the edge of their pain tolerance. Repeatedly overcoming this limit both mentally and physically is said to increase strength and muscle circumference. During the mid-1980s, Lafontaine took a strong interest in sustained physical and psychological self-conquest and the attendant highly erotically charged aesthetics. Having discovered a power training club in Marseille, the artist cast several individuals who trained there for her video Les larmes d’acier, which she conceived in light of her impressions from New York. In contrast to the asexuality of classic bodybuilding, the power training scene at that time tended to feature a hint of the homoerotic and sadomasochistic. On her 27 monitors, Lafontaine puts a hyper-masculine stereotype on display that was particularly en vogue during the era in which this work was created: men are warriors, hard and unforgiving—including towards themselves.
In addition to being a contradiction in terms, the title Les larmes d’acier [Tears of Steel] is also a historical reference: during World War II, Belgians used this term to refer to the bombs rained down on them by Germany’s Luftwaffe. And the entire installation—its film sequences and music—juxtaposes contradictory things: body and machine, lust and suffering, sensuality and death.
It was at a New York fitness studio during the mid-1980s that the Belgian artist Marie-Jo Lafontaine became acquainted with “power training,” a form of high-intensity muscular training that takes its practitioners to the edge of their pain tolerance. Repeatedly overcoming this limit both mentally and physically is said to increase strength and muscle circumference. During the mid-1980s, Lafontaine took a strong interest in sustained physical and psychological self-conquest and the attendant highly erotically charged aesthetics. Having discovered a power training club in Marseille, the artist cast several individuals who trained there for her video Les larmes d’acier, which she conceived in light of her impressions from New York. In contrast to the asexuality of classic bodybuilding, the power training scene at that time tended to feature a hint of the homoerotic and sadomasochistic. On her 27 monitors, Lafontaine puts a hyper-masculine stereotype on display that was particularly en vogue during the era in which this work was created: men are warriors, hard and unforgiving—including towards themselves.
In addition to being a contradiction in terms, the title Les larmes d’acier [Tears of Steel] is also a historical reference: during World War II, Belgians used this term to refer to the bombs rained down on them by Germany’s Luftwaffe. And the entire installation—its film sequences and music—juxtaposes contradictory things: body and machine, lust and suffering, sensuality and death.
Blickpunkt Friedensreich Hundertwasser
Fritz Stowasser – der sich, seit 1949 Friedensreich Hundertwasser nennt – ist ab den 1950er-Jahren Teil einer sich in Paris formierenden Avantgarde: zugleich ein Außenseiter, eigenständig und einzigartig in Bildfindung und Farbwahl. Mit seinem ausgeprägten persönlichen Stil ist sein Œuvre keiner Stilrichtung zuzuordnen.
Inspiriert durch die Ornamente und dekorativen Elemente Gustav Klimts, Egon Schieles und Paul Klees, schafft er sich eine eigene, oft mit chiffrierten Bedeutungen verbundene Motivwelt. Er knüpft an die Tradition des österreichischen Jugendstils an: In dessen stilisierten Wellenmustern sieht er die Idee natürlichen Wachstums versinnbildlicht. In der Auseinandersetzung mit der Natur und allem Organischen findet er zu einer Malerei, die Landschaftsformationen auf abstrakte Linien, Spiralen und Tropfenformen reduziert.
Das zentrale Symbol seiner farbintensiven Bildwelt ist die Spirale – 1953 entsteht die erste. In diesem Jahr sieht Hundertwasser einen Kurzfilm über die Kunst von Psychiatriepatienten. Das Bild einer sich drehenden „Spirale, ich glaube in Blau und Rot, hat meinem Schaffen den entscheidenden Impuls gegeben. Mir wurde schwindlig bei der Erkenntnis, dass die unregelmäßige Spirale das Hauptgleichnis für Leben und Tod ist.“ Als sinnstiftendes Lebenselement, Symbol des Werdens und Vergehens, ist sie von da an aus seinem künstlerischen Repertoire nicht mehr wegzudenken.
Nüchtern-sachlicher Funktionalität misstraut Hundertwasser zeitlebens. Sie gilt ihm als menschenfeindlich. In seinen Gemälden und Aquarellen, aber auch in seinen Architekturen dominieren bunte Flächen, schiefe Ebenen, bauchige Säulen und begrünte Dachterrassen. Die unregelmäßige Formenvielfalt der Natur ist ihm Vorbild auf dem Weg in eine bessere Welt.
Das zentrale Symbol seiner farbintensiven Bildwelt ist die Spirale – 1953 entsteht die erste. In diesem Jahr sieht Hundertwasser einen Kurzfilm über die Kunst von Psychiatriepatienten. Das Bild einer sich drehenden „Spirale, ich glaube in Blau und Rot, hat meinem Schaffen den entscheidenden Impuls gegeben. Mir wurde schwindlig bei der Erkenntnis, dass die unregelmäßige Spirale das Hauptgleichnis für Leben und Tod ist.“ Als sinnstiftendes Lebenselement, Symbol des Werdens und Vergehens, ist sie von da an aus seinem künstlerischen Repertoire nicht mehr wegzudenken.
Nüchtern-sachlicher Funktionalität misstraut Hundertwasser zeitlebens. Sie gilt ihm als menschenfeindlich. In seinen Gemälden und Aquarellen, aber auch in seinen Architekturen dominieren bunte Flächen, schiefe Ebenen, bauchige Säulen und begrünte Dachterrassen. Die unregelmäßige Formenvielfalt der Natur ist ihm Vorbild auf dem Weg in eine bessere Welt.
Blickpunkt Sasha Okun
Öffnet mir das Tor zur Gerechtigkeit,
Damit ich eintrete…
Buch der Psalmen 118,19
Diese Worte aus dem Buch der Psalmen im Alten Testament schenken Sasha Okuns letztem und monumentalstem Werk den Titel. Sein Anlass sind die eigene unbarmherzige Erkrankung und der jüngste Tod seiner Frau nach langem Leiden.
Hier sehen Sie das Video zum Werk.
Einem ohnmächtigen Gott gleich steht der letzte Arzt in der Mitte dieses modernen Totentanzes. Ihm sind die Hände gebunden. Am Ende seiner Weisheit angekommen, kann auch er nicht mehr helfen– wie sehr ihn auch die Schwangere an seiner Seite bittet, dem zukünftigen Leben in ihrem Leib, Leid und Sterben zu ersparen. Mit jedem neuen Leben kommt auch der Tod ins Haus.
Ihr Pendant bittet nicht mehr den hilflosen Arzt: einer Furie gleich überschüttet er ihn mit Flüchen, wild gestikulierend auf seine eigene Krankheit im Kopf wie im Herzen weisend:
Links und rechts, aufgefädelt, in Reih und Glied Auf jenem letzten schmalen Bühnenstreifen, der den Gebrechlichen noch bleibt, zeigen alle auf ihre je eigenen Krankheiten zum Tode.
Geradezu lächerlich unterstreichen die an der Peripherie des drastischen Menschenaufzugs stehenden Torwächter die Vergeblichkeit der ärztlichen Kunst: Ihre Infusionsbeutel sind nur mehr komisches Attribut eines zum Scheitern verurteilten Überlebenswillens.
In dieser Welt gibt es kein Oben. Über den Menschen ist nur die tiefschwarze Nacht. Kein Licht, kein Rettungsschwimmer, keine Transzendenz. Kein Himmel. Nur Nacht.
Kein Jenseits ragt in diese Schwärze hinein. Dieses Bild ist ein Bild der Vergeblichkeit, der Hoffnungslosigkeit: eines der tiefsten und erschütterndsten Kunstwerke unserer Zeit, die nichts mehr verdrängt als Jammer und Tod.
Einem ohnmächtigen Gott gleich steht der letzte Arzt in der Mitte dieses modernen Totentanzes. Ihm sind die Hände gebunden. Am Ende seiner Weisheit angekommen, kann auch er nicht mehr helfen– wie sehr ihn auch die Schwangere an seiner Seite bittet, dem zukünftigen Leben in ihrem Leib, Leid und Sterben zu ersparen. Mit jedem neuen Leben kommt auch der Tod ins Haus.
Ihr Pendant bittet nicht mehr den hilflosen Arzt: einer Furie gleich überschüttet er ihn mit Flüchen, wild gestikulierend auf seine eigene Krankheit im Kopf wie im Herzen weisend:
Links und rechts, aufgefädelt, in Reih und Glied Auf jenem letzten schmalen Bühnenstreifen, der den Gebrechlichen noch bleibt, zeigen alle auf ihre je eigenen Krankheiten zum Tode.
Geradezu lächerlich unterstreichen die an der Peripherie des drastischen Menschenaufzugs stehenden Torwächter die Vergeblichkeit der ärztlichen Kunst: Ihre Infusionsbeutel sind nur mehr komisches Attribut eines zum Scheitern verurteilten Überlebenswillens.
In dieser Welt gibt es kein Oben. Über den Menschen ist nur die tiefschwarze Nacht. Kein Licht, kein Rettungsschwimmer, keine Transzendenz. Kein Himmel. Nur Nacht.
Kein Jenseits ragt in diese Schwärze hinein. Dieses Bild ist ein Bild der Vergeblichkeit, der Hoffnungslosigkeit: eines der tiefsten und erschütterndsten Kunstwerke unserer Zeit, die nichts mehr verdrängt als Jammer und Tod.